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08.08.2003
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Computer
  Sonnenbrand
am Server
 
  Chaos Communication
Camp: Hitze setzt den Hackern zu
 
  Auch Hacker leiden unter der Hitze. Jedenfalls auf dem "Chaos Communication Camp" in der Nähe von Berlin. Es gibt kaum Schatten auf dem weitläufigen Zelt-Gelände bei Altlandsberg. Das hat dem ein oder anderen unter den etwa 2000 Teilnehmern schon einen rosa Nacken unter der adrett geschnittenen Frisur beschert. In der Brutzelsonne ist erst mal Abhängen angesagt.
 
 
 
  Rund ein Fünftel der Teilnehmer des zweiten Hackertreffens unter freiem Himmel, das der Chaos Computer Club (CCC) in Hamburg organisiert hat, sind aus dem Ausland angereist. "Deutlich mehr als vor vier Jahren", sagt Sprecher Lars Weiler.

Die Konferenzsprache ist zum ersten Mal Englisch. Das mache das Camp offenbar außerhalb Deutschlands attraktiver. Weiler schätzt, dass etwa die Hälfte der Teilnehmer schon beim letzten Camp dabei war. "Das ist wie ein Familientreffen." Viele tragen auch noch die grasgrünen T-Shirts mit dem Camp-Logo von 1999. "Da sage noch einer, dass man im Netz vereinsame."
  Radio "Subether" und "Datenklos"
      Ein paar Takte Reggae dudeln in der "Futterecke" aus dem Lautsprecher, passend zur entspannten Tropen-Stimmung. Einige frischen sich unter der spontan eingerichteten Schlauchdusche am Seeufer auf. Viele hängen einfach im Schatten ihrer Biwaks ab und hören Radio "Subether". Der kleine Camp-Sender auf UKW 88,3 MHz bringt rund um die Uhr Musik und aktuelle Infos zum Fest. Erst gegen Abend, mit jedem Zentimeter, den die Sonne am Horizont verschwindet, kommt Leben auf die Weide.
 
  Zentraler Treffpunkt ist das "Hackcenter" mit mehreren hundert Sitzplätzen und einem Bereich für Vorträge. Per Wireless-LAN können sich die Teilnehmer ins Internet einwählen. Für alle, die keine entsprechende Karte haben, stehen Kabel-Anschlüsse bereit. Die zugehörigen Cisco-Router sind in ausgedienten Mobil-Klos der Firma "Dixi" verstaut. Damit die Temperatur in den "Datenklos" die Elektronik nicht aushebelt, sind die Toilettenhäuschen mit reflektierender Thermo-Folie umwickelt. Über das ganze Camp erstreckt sich eine Internet-Telefon-Anlage. So können die Camper untereinander telefonieren, ohne zu zahlen. Und sind sogar von außen zu erreichen.
  "Nice place to be"
      "Die Motivation ist für die meisten, Leute zu treffen, sich mit anderen aus der Computer-Szene auszutauschen. Aber für viele ist es auch Urlaub", sagt Chaos-Sprecher Lars Weiler. "Uns gefällt das Camp-Leben", bestätigt ein 20-jähriger Italiener mit dunkler Sonnenbrille, der im Hackcenter gerade seine Mails checkt. Er studiert Informatik in Padua und ist mit zwei Freunden im Auto gekommen. Fachlich interessiert er sich für die Sicherheit von Netzwerken. "Das Camp ist ein riesiges Netzwerk, das man sonst nicht so ohne weiteres kennen lernen kann."
  "Nice place to be", lacht auch der 29-jährige Informatiker Francois-René am Eingang eines der beiden Konferenzzelte. Schweißperlen stehen ihm auf der Stirn. Der Informatiker forscht in einem Wissenschaftszentrum in Luxemburg. Ihn interessieren die aktuellen Entwicklungen der Computer-Sicherheit. Deswegen ist er hier. "Natürlich will ich auch Hacker aus anderen Ländern treffen."
  Ab in die "Nerd-Schleuder"
      An Ideen für Spiel, Spaß und Entspannung mangelt es auf dem Camp nicht. Bernhard Chwalke aus Berlin will Hackbesessenen mit "Online-Food" aus der Klemme zu helfen. Unter ccc.fusionfood.de können sich die Jungs im Hackcenter, die nicht von der Kiste loskommen, Original-Thai-Food bestellen. "Alles frisch und die Frühlingsrollen handgerollt." Ob es mit dem Internet-Essen klappt, wird sich noch zeigen müssen. Der Computer steht noch ohne Anschluss neben der Garküche. Und zwischendurch können sich die Camper von einem Profi durchkneten lassen. Zehn Euro für eine 20-Minuten-Thai-Massage.
  Von Chwalkes Tibetzelt hat man auch die "Nerd-Schleuder" ganz gut im Blick. Der mehrere Meter hohe Gyro-Twister besteht aus vier in sich beweglichen Metallringen. Ein Mutiger lässt sich im inneren Ring festschnallen. Ganz geheuer ist ihm nicht. Vorsichtig verlagert er sein Gewicht. Mal kopfüber, mal schräg oder seitwärts, erst langsam, dann wirbelt er mit rasantem Tempo kopfüber durch die Luft. "Irre!" Thomas wankt zunächst ein wenig, bis er sich wieder an festen Boden unter den Füßen gewöhnt hat. Ein Fall für das M.A.S.H.-Sanitätszelt ist er aber nicht. Allerdings mussten die freiwilligen Chaos-Sanitäter schon eine Handvoll Leute ins Krankenhaus transportieren, die Hitze eben.
 

   
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